Eine gerettete Pietà

Pietà in der katholischen Pfarrkirche Reiden

Das Kunstwerk stammt aus der Zeit um 1400 und stellt eine Maria von schmächtiger Gestalt in einem schweren, hängenden Gewand und mit einem Schleier dar. Sie hält mit beiden Händen den leicht geknickten Leichnam des Sohnes.

Ernst Buchmüller fasste die Sage um die gerettete Pietà so zusammen, dass im Glaubensstreit (Reformation 1528) die Brittnauer aus ihrer Kirche ein Marienbild (Muttergottes mit dem verstorbenen Jesu Christo) herausholten und es in den Dorfweiher warfen. Eine fromme Frau habe es herausgezogen und auf den Brunnen gestellt. Da seien dem Bild Tränen über das Antlitz geronnen. Leute aus Wikon, wo noch der alte Glauben galt, hätten es nachts geholt und in die Schlosskapelle gebracht. Dort stand die Marienstatue bis Ende 2019. Am 2. Februar 2020 segnete der Abt vom Kloster Engelberg Christian Meyer die Pietä an ihrem neuen Standort in der katholischen Pfarrkirche ein.

 

Ein langes Gedicht auf einer Holztafel erinnert an den Vorfall.

Pietà. Foto: Beatrix Bill

Merk auf mein Christ und hör mich an,
Ein Wunder ich will sagen,
So Gott an diesem bilt gethan
und hat sich zugetragen.

Als Brittnau von dem Glauben
abgefallen wie die Blinden,
dis bilt sie geworfen in ein Grab,
das mans nit mehr solt finden.

Verborgen aber ohn' Gebühr
im Grab es nit wolt bleiben
und kerne wieder selbst herfür,
all Unehr zu vermeiden.

Brittnau aber ein lose roth,
ohn Furcht und unbesunen
das bilt zu einem Hon und Spott
setzten auff ein Brunnen,

bis das von Brittnau kam ein Weib,
das Wasser heim zu tragen.
Standhaft sie war an seel und Leib
thut nit lang weiters fragen.

Dis bilt sie name mit Andacht,
weil sie Mariam ehrte,
und hat es bald alhär gebracht,
damit sein Spott auff hörte,

und hier verehrt würd nach Gebühr
mit Andacht und mit Trauwen,
uns Schutz zu geben für und für,
wenn wir auff sie bauwen.

Darum mein Sünder ruofe an,
Mariam fleißig ehre,
damit sye dir wol zuo gethan,
in dir die Gnad vermehre,

auf das sie dich von aller gefahr
beschütz von sünd und schanden,
hier zeitlich und dort ewig Jahr,
vor strickh und Teuffels Banden.

Zu disem endt, o Jungfraw rein
hat diß ernüwern lasen
Schloßvogt pfyffer dir zuo ehr
und deinem sohn darneben.

Dein Huld und Gnad in ihm vermehr.

Gib igm das ewig leben. Amen. 1711

Kurt Buchmüller. Brittnauer Dorfgeschichte im Blickpunkt von einst und heute. Brittnau 2008.

 

Pietà. Foto: Adolf Reinle 1959Pietà Marienburg Wikon

In der Hauptnische steht da: Wallfahrts­bild von Wikon, eine gotische Pietä aus der Zeit um 1400, barock neu gefasst und mit einer vergoldeten Krone geschmückt. Der Typus ist von großer Seltenheit. Maria, eine schmächtige Ge­stalt in schwerem hängendem Gewand und Schleier, hält mit beiden Händen den eben­falls stehenden, um Kopfhöhe kleineren, leicht geknickten Leichnam des Sohnes. H. 8o cm, ohne barocke Krone. Über die Herkunft orientiert das 1711 auf eine Holz­tafel in schöner Zierfraktur gemalte 42­zeilige Gedicht. Es erzählt, die Skulptur sei 1528 beim Bildersturm im reformiert gewordenen nahen Brittnau in ein Grab geworfen, später zum Spott auf einen Brun­nenstock gestellt und von dort durch eine pietätvolle Frau nach Wikon gebracht worden. Schlossvogt Josef Christoph Pfyffer habe die Inschrifttafel 1711 erneuern lassen.

Adolf Reinle 1959